SCHREIBEN GEGEN DIE TRAUMATA II

Selbsttherapie, 2. Akt
Und weiter geht’s in unserer Serie der Popsongs, die uns bis heute belasten und die wir unbedingt aus unserem Bewusstsein verdrängen möchten. Dieses Mal widmen wir uns unter Anderem der Kategorie „Jute statt Plastik“. Man möge sich erinnern: Es gab eine Zeit, in der plötzlich merkwürdige Menschen die politische Szene in Deutschland veränderten. Man nannte sie Ökos, Sandalenträger, Seifeverweigerer, Freunde oder Langhaarspinner. Je nachdem, auf welcher Seite des Meinungs-Spektrums man sich befand.

In der Glotze sah man Parteitage einer neuen Formation, die sich „Die Grünen“ nannten und bei denen man sich als Kind nie so ganz sicher sein konnte, ob bei den Buben und Mädels nicht in Wahrheit nur öffentliches Stricken und lange Bärte das wichtigste Hauptanliegen waren. Nach und nach durchdrang ein neues Umweltbewußtsein die Gesellschaft und so war es möglich, dass Bands wie „Gänsehaut“ mit so prosaischen Songtiteln wie „Karl der Käfer“ ernsthaft einen Hit in den Paraden landen konnten. Nur zur Information: Weitere Lieder der Formation hießen „Johanna, das Huhn“ und „Schmetterlinge gibt’s nicht mehr“. Und da soll man keine schlechte Laune kriegen. Doch schauen wir kurz zurück in der Geschichte…

Gänsehaut – Karl der Käfer

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Das Ende der Welt war ganz nah. Schon morgen konnten wir alle so heimatlos oder gar tot sein, wie Karl, die Wanze. Dieser Song markierte ganz klar den Startpunkt einer unserer ersten Depressionen. Wir verweigerten gemeinsame Autofahrten mit unseren Eltern (die armen Tiere) und fürchteten uns spontan bei den unpassendsten Gelegenheiten. Einfach, weil alles so aussichtslos war. Immerhin – Die Kubakrise war höchstens rudimentär seelisch verarbeitet. Wir waren gerade erst von Alexandra und ihrem toten Baum, dem Freund, runtergekommen und das war nun wahrlich alles andere als einfach:

Alexandra – Mein Freund, der Baum, ist tot

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Jeden Tag mussten wir beim Betrachten der Tagesschau damit rechnen, dass die Russen oder Amerikanier gerade an diesem Tag wahnsinnig genug geworden sein könnten, um den Knopf zu drücken. Erstaunlicherweise glaubten wir wirklich, diesen Umstand aus der abendlichen Nachrichtensendung zu erfahren. Sozusagen eine Meldung im Stil von: „Sie mögen es noch nicht gemerkt haben, aber wir alle sind seit heute nachmittag, 14 Uhr und 26 Minuten, mausetot.“:

Sting – Russians

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Danke auch an Sting. Der elenden Gutmenschen-Gurke. Mit seinem Song trug er nicht gerade dazu bei, dass wir uns besser fühlten. Nein. Gar nicht. Auch Geier Sturzflug hätten sich ihren trällernden Abgesang in jeder Hinsicht sparen können. Lustig fanden wir das überhaupt nicht. Wir hatten nämlich noch ein ganzes Leben in Europa vor uns. Hofften wir. Aber anscheinen sahen das ja alle anderen ganz anders. Sehr ermutigend. Ehrlich.

Geier Sturzflug – Besuchen Sie Europa

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Ewige Erinnerung gilt auch den Jungs von Ultravox für ihr Video zu „Dancing with Tears in my Eyes“. Und dem blöden, älteren Nachbarsjungen, der schon Englisch konnte und uns sehr blumig beschrieben hatte, worum es in dem Song ging. Als hätten die Bilder nicht schon gereicht, um uns auf weite Sicht die Stimmung zu verhageln:

Ultravox – Dancing with tears in my eyes

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Und doch fragten sich die Erwachsenen damals ernsthaft, worin bloß die Ursache für Punkrock und die Verzweiflung der Jugend zu suchen war… Wir zumindest wussten es recht genau. Danke schön, es geht uns erneut ein Stück besser. Bis zur nächsten Aufarbeitungs-Stunde.