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SCHREIBEN GEGEN DIE TRAUMATA II

1. März 2008

Selbsttherapie, 2. Akt
Und weiter geht’s in unserer Serie der Popsongs, die uns bis heute belasten und die wir unbedingt aus unserem Bewusstsein verdrängen möchten. Dieses Mal widmen wir uns unter Anderem der Kategorie „Jute statt Plastik“. Man möge sich erinnern: Es gab eine Zeit, in der plötzlich merkwürdige Menschen die politische Szene in Deutschland veränderten. Man nannte sie Ökos, Sandalenträger, Seifeverweigerer, Freunde oder Langhaarspinner. Je nachdem, auf welcher Seite des Meinungs-Spektrums man sich befand.

In der Glotze sah man Parteitage einer neuen Formation, die sich „Die Grünen“ nannten und bei denen man sich als Kind nie so ganz sicher sein konnte, ob bei den Buben und Mädels nicht in Wahrheit nur öffentliches Stricken und lange Bärte das wichtigste Hauptanliegen waren. Nach und nach durchdrang ein neues Umweltbewußtsein die Gesellschaft und so war es möglich, dass Bands wie „Gänsehaut“ mit so prosaischen Songtiteln wie „Karl der Käfer“ ernsthaft einen Hit in den Paraden landen konnten. Nur zur Information: Weitere Lieder der Formation hießen „Johanna, das Huhn“ und „Schmetterlinge gibt’s nicht mehr“. Und da soll man keine schlechte Laune kriegen. Doch schauen wir kurz zurück in der Geschichte…

Gänsehaut – Karl der Käfer

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Das Ende der Welt war ganz nah. Schon morgen konnten wir alle so heimatlos oder gar tot sein, wie Karl, die Wanze. Dieser Song markierte ganz klar den Startpunkt einer unserer ersten Depressionen. Wir verweigerten gemeinsame Autofahrten mit unseren Eltern (die armen Tiere) und fürchteten uns spontan bei den unpassendsten Gelegenheiten. Einfach, weil alles so aussichtslos war. Immerhin – Die Kubakrise war höchstens rudimentär seelisch verarbeitet. Wir waren gerade erst von Alexandra und ihrem toten Baum, dem Freund, runtergekommen und das war nun wahrlich alles andere als einfach:

Alexandra – Mein Freund, der Baum, ist tot

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Jeden Tag mussten wir beim Betrachten der Tagesschau damit rechnen, dass die Russen oder Amerikanier gerade an diesem Tag wahnsinnig genug geworden sein könnten, um den Knopf zu drücken. Erstaunlicherweise glaubten wir wirklich, diesen Umstand aus der abendlichen Nachrichtensendung zu erfahren. Sozusagen eine Meldung im Stil von: „Sie mögen es noch nicht gemerkt haben, aber wir alle sind seit heute nachmittag, 14 Uhr und 26 Minuten, mausetot.“:

Sting – Russians

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Danke auch an Sting. Der elenden Gutmenschen-Gurke. Mit seinem Song trug er nicht gerade dazu bei, dass wir uns besser fühlten. Nein. Gar nicht. Auch Geier Sturzflug hätten sich ihren trällernden Abgesang in jeder Hinsicht sparen können. Lustig fanden wir das überhaupt nicht. Wir hatten nämlich noch ein ganzes Leben in Europa vor uns. Hofften wir. Aber anscheinen sahen das ja alle anderen ganz anders. Sehr ermutigend. Ehrlich.

Geier Sturzflug – Besuchen Sie Europa

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Ewige Erinnerung gilt auch den Jungs von Ultravox für ihr Video zu „Dancing with Tears in my Eyes“. Und dem blöden, älteren Nachbarsjungen, der schon Englisch konnte und uns sehr blumig beschrieben hatte, worum es in dem Song ging. Als hätten die Bilder nicht schon gereicht, um uns auf weite Sicht die Stimmung zu verhageln:

Ultravox – Dancing with tears in my eyes

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Und doch fragten sich die Erwachsenen damals ernsthaft, worin bloß die Ursache für Punkrock und die Verzweiflung der Jugend zu suchen war… Wir zumindest wussten es recht genau. Danke schön, es geht uns erneut ein Stück besser. Bis zur nächsten Aufarbeitungs-Stunde.

SCHREIBEN GEGEN DIE TRAUMATA!

27. Februar 2008

Selbsttherapie, 1. Akt.
Bekanntermaßen ist das Ministerium für Schlimmerheit keine Lach- und Spaßseite. Hier geht es einzig und allein darum, dass wir unsere täglichen Traumata in Worte fassen, bei eventuellen Lesern abladen und uns danach besser fühlen. Und gerade jetzt, in diesem Moment, haben wir mal wieder ein ganz konkretes Abladebedürfnis. Als Kinder der frühen 70er Jahre mussten wir einiges durchmachen: Die späten 70er, die gesamten 80er und 90er, sowie die komplette Zeit danach. Und jeder, der auch dabei war, weiß nur zu gut, wie schwer und krass das war. Was sind schon zwei erlebte Weltkriege, wenn man die Popkultur dieser Zeit durchgestanden hat? Was ist schon eine nächtliche Bollerwagenfahrt durch amerikanisch besetztes Gebiet, wenn im Fernsehen Bernd Clüver singt?

Und damit kommen wir langsam zum Punkt. Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten nach und nach die Werke der Popmusik vorstellen, die uns bis heute seelisch belasten und uns -neben all den Drogen- einen guten Teil der Gehirnrinde gekostet haben.

Ganz oben auf der Liste stehen drei Lieder mit denen einer der Chefminster auf jeder Urlaubsfahrt von seinen Eltern gequält wurde. Es gab da diese ganz spezielle Schlagerkassette, die fast manisch eingelegt wurde, sobald man sich auf der Autobahn Richtung Süden befand. Und dann nahm das Grauen seinen Lauf. Fangen wir an:

Manuel & Pony – Das Lied von Manuel:

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Ein erschreckendes Beispiel für das Zusammenspiel von minderjährigen Kindern, Cannabiskonsum derselben und einer Flasche Helium. Wir fragen uns wirklich ernsthaft, was man dem armen kleinen Jungen verabreicht hat, um dieses unfassbar grenzdebile Grinsen hinzubekommen. Wahrscheinlich diesselben Substanzen, mit denen Heintje damals von seinem Management auf Spur gebracht wurde. Wer übrigens genau hinschaut, entdeckt im Mädchenchor ganz links die kleine Anke Engelke, die bekanntlich schon als Kind jedwede peinliche Scheiße mitgemacht hat. Ehrlich gesagt wollen wir uns erst gar nicht über den vor Gutenmenschensaft triefenden Text dieses Machwerks auslassen. Da fehlen uns nämlich komplett die Worte. Ein wirklich selten vorkommender Umstand, der uns selbst verblüfft. Wir können uns nur daran erinnern, als kleine Kinder ein schlechtes Gewissen aufgrund dieses Songs entwickelt zu haben. Und das nur, weil wir mangels Gesangstalent nicht in der Lage waren, irgendeiner kranken Hannelore die Überfahrt nach Amerikanien zu finanzieren. Maria Dolores! Das tat weh. Dafür belegen wir Manuel und sein blödes Pony auf immer mit dem Fluch der Schlimmerheit und fühlen uns schon ein klitzekleines Bisschen besser.
Kleiner Nachtrag:
Eigentlich wollten wir uns ja nicht groß zum Text äussern. Aber eins sei doch gesagt – Wir finden die dargestellte Attitüde widerlich. Da muss die kleine Ausländerkanake Manuel erst was Gutes für das deutsche Mädel Hannelore reißen, um von den anderen Kindern aus der Hitlerjugend akzeptiert zu werden. Das er einfach nur nett ist und gut singt, reicht in diesem postfaschistischen Land ganz offensichtlich nicht. Gut. Es waren die 70er Jahre. Erschreckend jedoch, dass in weiten Teilen der heutigen Gesellschaft immer noch die gleichen Maßstäbe gelten. Wenn der Mohr nicht taugt, muss der Mohr halt weg. Wir könnten vomieren.
Noch kleinerer Nachtrag:
„Also playen wir den zweiten Platz“ – Ganz großes Kino, lieber Dieter Thomas…

Berd Clüver – Der Junge mit der Mundharmonika:

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Der Gipfel der Kleinbürger-Poesie. Der passende Soundtrack für einen langen Nachmittag am Fensterbrett. Die Ellbogen sentimental auf einem Kissen abgestützt und die ganze Sehnsucht des Frührentner-Daseins in der Luft. Wenn wir heute daran denken, dass wir als Kinder tatsächlich versucht haben, einen tieferen Sinn in dieser LSD-inspirierten Melancholiejauche zu entdecken, blutet uns das Herz ob dieser Zeitverschwendung. Dafür möge auch Dir, Bernd Clüver, der kalte Hauch der Schlimmerheit am Schritt vorbeiziehen. Und schon wieder ein Trauma weniger. Herrlich. Weiter im Text…

Michael Holm – El Lute:

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Politische Bildung für Konsalik-Leser. Ein Hauch von Robin Hood für jeden Fließbandarbeiter. Immer, wenn dieses Lied im Auto lief, musste man automatisch weinen. Wegen der Ungerechtigkeit. Als Kind hatten wir natürlich keine Ahnung, wer dieser „El Lute“ war. Aber eins war sicher: Er war ein armes Schwein, das (Nelson Mandela-mäßig) unschuldig die schlimmsten Leiden ausstehen musste. Und das in Spanien. Dem Land, wo die Reise gerade hinging. Tolle Aussichten. Dieser Michael Holm, den wir natürlich auch nicht kannten, musste ein wahnsinnig guter Mensch sein. Immerhin rief er uns allen das traurige Schicksal eines verzweifelten Menschen ins Gedächtnis. Wahnsinn. Wahrscheinlich drohte ihm für diesen Song auch lebenslange Freiheitsstrafe in Spanien. So dachten wir. Heute würden wir uns wünschen, es wäre so gewesen. Wir hatten ja keine Ahnung, dass es sich einfach um die deutsche Übersetzung eines ekelhaft pathetischen Boney M-Songs (Frank Farian, Du alte Pop-Sau!) handelte. Das es Michael Holm vermutlich völlig Latte war, wie es „unserem“ Helden erging. Hauptsache, die Kasse und das betroffene Grinsen stimmten. Diese späte Enttäuschung ist nicht mehr gut zu machen und bringt Farian & Holm einen sicheren Platz in unserem ministerialen Steinbruch ein. Dann dürfen die Beiden den ganzen Tag Normkies mit dem Minihammer kloppen und über Ihre Sünden nachdenken…

Vielen Dank für die gemeinsame Traumata-Aufarbeitung. Bald geht es weiter!

DAFÜR SIND WIR ZUSTÄNDIG!

30. September 2007

Stehen wir drauf – Auf sowas. [sic-PA]
Eben noch versprochen, schon ist es soweit: Wir sind in der glücklichen Lage, Euch eine der Initial-Inspirationsquellen unseres Platzhalterarchivs zugänglich zu machen. Wir wissen nicht, ob dieser Ausschnitt jemals für die Öffentlichkeit bestimmt war. Ehrlich gesagt, glauben wir eher das Gegenteil. Wir fühlen uns jedoch dafür zuständig, diese Perle der Amateurpornographie-Dramaturgie einem größeren Publikum zugänglich zu machen und unserer Clipkritik auszusetzen.

Wir möchten an dieser Stelle ausdrücklich „Mondmanni„, Zensor vom Dienst, erwähnen, den wir zwar nicht persönlich kennen, dem wir jedoch ewig für die Beschaffung und Anbringung der schwarzen Balken dankbar sein werden.

Was wir gleich sehen, entstand vor geschätzten 15 Jahren. Ganz offensichtlich hatte es sich eine lokal ansässige Horde von naturgeilen Videoamateuren zum Ziel gesetzt, selbst mal einen richtig heißen und oberprofessionellen Pornostreifen zu drehen. Man erinnere sich: Zu dieser Zeit war das Internet noch nicht die Quelle aller Nacktheit und Handlung war ein wichtiges Stilelement des ambitionierten Fickfilms. Und so gab man sich offensichtlich alle Mühe – Um doch fulminant zu scheitern. Doch gehen wir ins Detail:

Das Setting:
Einer jungen Frau ist langweilig. Und was machen praktisch alle jungen Frauen, wenn ihnen langweilig ist? Richtig. Das Naheliegende: Splitternackt in schwarzen Gymnastikschläppchen über ein Feld schlendern und einem imaginären Unbekannten von der Pein der eigenen Geilheit berichten. Genauso, wie es sich tagtäglich auf tausenden Feldern in Deutschland abspielt. Und was braucht die Arme am Dringensten? Erneut richtig – Einen geilen Typ. Oder wie sie selbst sagen würde: Einen geilen Tüppp.

Bis zu diesem Punkt also nichts Ungewöhnliches für Jeden, der Pornographie mit Realität verwechselt. Doch dann beginnt der Zauber des perfekten Märchens. Tatsächlich taucht er nach einiger Zeit aus dem Nichts auf: Der lockere Surfboy im gehobenen Alter mit Schläppchen (Yeah, again!), einem Handtuch (vermutlich Anhalter) und einer Menge eloquenter Sprüche auf den Lippen. Gut, eigentlich sieht er total suboptimal aus, im Grunde wie zwei Mal Apfel, aber das interessiert Frauen bekanntlich kein Stück, wenn sie gerade ohnehin nackt auf Feldern rumstehen und sich langweilen. Dann folgt das Unvermeidliche. Ausgeführt und verkörpert, wie es nur echte Amateure tun können. Also eher schaurig. Wir bitten aber darum, besonders darauf zu achten, wie sich Mr. Zuständig von seinen Schläppchen trennt. Im Moment der Verabschiedung von seiner Hose. So sieht Ordnung aus. Immer schön die Füße staubfrei halten! Ein ästhetisches Gedicht. Wie seine Schamhaarfrisur, die keine Fragen offen lässt. Doch leider ist dies eines der sehr wenigen Highlights in Bezug auf körperliche Eleganz. Zum Glück wird das Schauspiel von Dialogen unterbrochen, die Gott beim Philosophieren eingefallen sein könnten.

Die Dialoge:
In diesem Bereich spielt unser fulminates Streifchen seine wahre Stärke aus. Worte werden spärlich eingesetzt, aber wo sie vorkommen, brodelt die Lava der Eloquenz. Es beginnt mit einem kurzen, klärenden Vorgespräch über die eigenen Bedürfnisse und Zuständigkeiten (übrigens im liebenswerten Dialekt der geborenen Merkbefreiten) und dann herrscht zunächst schmatzende Stille. Stille, die die Spannung auf den nächsten Konversationsteil fast unerträglich macht und mit brillianter Synthie-Musik unterlegt ist. Nach etwa 2 Minuten und 20 Sekunden besinnt sich unser Protagonist seiner guten Kinderstube und erkundigt sich artig nach der Herkunft der jungen Frau. Sehr löblich. Es entbrennt daraufhin ein Feuerwerk der Nullphrasen. Es geht um einen gemieteten Bungalow. Geile Freundinnen, die gemeinsam Urlaub machen und sich trotzdem offensichtlich langweilen. Um die Reihenfolge der Damenbefriedigung und einige sachverständige Kommentare eines geborenen Frauenverstehers. Wir können uns darüber tagelang schlapplachen, während wir uns die Zitate permanent an den Kopf werfen. Möglichst im Original-Sprachkolorit der Hauptdarsteller. Aber gut. Wir haben ja auch einen Gendefekt, der uns zwingt, Schlimmerheiten intensiver zu empfinden.

Doch schaut einfach selbst:

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Wir sind auf jeden Fall überglücklich, dieses Dokument der Schlimmerheit endlich von der Seele zu haben. Vielleicht rutscht uns im Alltag jetzt nicht mehr ständig ein „Dafür bin ich zuständig“ raus, wenn uns jemand um Hilfe bittet. Oder, um es mit den finalen Worten des Schläppchenartisten zu sagen: Aha.